Le Monde«: wie die USA den brasilianischen Bundesrichter Moro und den »Lava-Jato«-Korruptionsprozess für ihre eigenen Ziele nutzten!

Was als “größte Anti-Korruptions-Operation der Welt” begann und zum “größten Justizskandal des Planeten” wurde – die »Operation Lava-Jato« -, war in Wirklichkeit nichts anderes als eine erfolgreiche US-Strategie, um die geopolitische “Autonomie” Brasiliens zu untergraben und die Bedrohung durch das Wachstum von Monopolen zu beenden, die ihre eigenen Interessen gefährden würden. Dies wurde in der französischen Zeitung Le Monde am 10.4.21 aufgedeckt. Vom Journalisten N. Bourcier und G. Estrada, dem Direktor des Politischen Observatoriums für Lateinamerika & Karibik (OPALC) an der Universität Sciences Po in Paris, geschrieben.

Es begann 2007, in der Regierung von George W. Bush. Die US-Behörden waren verärgert über die mangelnde Kooperation der brasilianischen Diplomaten bei ihrem Anti-Terror-Programm. Itamaraty (brasil. Außenministerium) war damals nicht bereit, sich auf die US-Hysterie dazu einzulassen. Um das offizielle Desinteresse zu umgehen, investierte die US-Botschaft in Brasilien in eine Gruppe lokaler Experten, die mit ihren Interessen sympathisierten und bereit waren, ihre Methoden zu erlernen, “ohne den Anschein zu erwecken, Bauern” in dem Spiel zu sein, so ein Telegramm von Botschafter Clifford Sobel, zu dem Le Monde Zugang hatte.

So wurde Sergio Moro 2007 zu einem Treffen eingeladen, das vom US-Außenministerium finanziert wurde. Er akzeptierte. Er nahm Kontakt mit Vertretern des FBI, des Justizministeriums (DOJ) und des US-Außenministeriums auf. Um den Vorteil zu nutzen, gingen die USA noch weiter und schufen in der brasil. Botschaft den Posten eines “Rechtsberaters“, der mit K. Moreno-Taxman besetzt wurde, einer Spezialistin für die Bekämpfung von Geldwäsche & Terrorismus.

Durch das »Bridges-Projekt« sorgten die USA für die Verbreitung ihrer Methoden, die in der Bildung von Anti-Korruptions-Teams, der Anwendung ihrer Rechtsdoktrin (Belohnungssystem für Hinweisgeber) und dem “informellen” Austausch von Informationen über Fälle bestehen. Jede Ähnlichkeit mit dem »Lava-Jato« ist kein Zufall. 2009 wurde Moreno-Taxman eingeladen, auf der jährlichen Konferenz der brasil. Bundespolizei in Fortaleza zu sprechen. Vor mehr als 500 Fachleuten lehrte die Amerikanerin die Brasilianer, das zu tun, was die USA wollen: “In Korruptionsfällen muss man den ‘König’ systematisch und ständig verfolgen, um ihn zu stürzen.

Damit die Justiz jemanden wegen Korruption verurteilen kann, ist es notwendig, dass das Volk diese Person hasst“, sagte sie später und wurde deutlicher. “Die Gesellschaft muss spüren, dass er sein Amt wirklich missbraucht hat und seine Verurteilung fordern“, fügte sie hinzu, um keinen Zweifel zu lassen. Der Name des damaligen Präsidenten Lula wurde mit keinem Wort erwähnt. Aber er war in den Köpfen aller Anwesenden: zu der Zeit war der “Mensalão“-Skandal in allen Nachrichten des Landes.

Die Saat war gelegt

Die PT erkannte nicht das `Monster`, das sie erschaffen hätte … Ausländische Behörden, insbes. eine Anti-Korruptionsgruppe der OECD, die unter US-Einfluss stand, begannen das Land unter Druck zu setzen, um strengere Anti-Korruptionsgesetze zu erlassen. In diesem Kontext wurde Moro 2012 in das Kabinett von Rosa Weber berufen, die neu an den Obersten Gerichtshof berufen wurde. Die Ministerin, die vom Arbeitsgericht kam, brauchte Helfer mit strafrechtlichem Sachverstand, um ihr im Prozess zu helfen. Moro war also einer der Verantwortlichen für die umstrittene Abstimmung zur “Flexibilisierung” der Beweispflicht in Korruptionsfällen.

Bei Machtverbrechen gilt: Je größer die Macht ist, mit der der Verbrecher prahlt, desto leichter lässt sich das Unerlaubte verbergen. Verdeckte Machenschaften, Verteilung von Dokumenten, Abwerbung von Zeugen. Daraus ergibt sich die größere Elastizität bei der Zulassung von Beweisen der Anschuldigung“, so die Ministerin in ihrem Votum. Der Präzedenzfall wurde vom Richter und den Staatsanwälten des »Lava-Jato« Jahre später wörtlich genommen, um den ehemaligen Präsidenten Lula im Fall des Triplex (Luxus-Penthouse) anzuklagen und zu verurteilen.

Im Jahr 2013 (dem Jahr der Massenproteste in Brasilien) zeigte der internationale Druck Wirkung und der brasil. Kongress begann mit der Abstimmung über das Anti-Korruptionsgesetz. Um sich vor der internationalen Gemeinschaft nicht zu blamieren, griffen die Parlamentarier schließlich auf Mechanismen zurück, die im »Foreign Corrupt Practices Act« (FCPA) vorgesehen sind, einem Gesetz, das es den USA erlaubt, Vorgänge in anderen Ländern zu untersuchen und zu bestrafen. Für Experten ist es ein Instrument zur Ausübung von wirtschaftlicher & politischer Macht durch die USA in aller Welt.

Im November 2013 kündigte der stellvertretende Generalstaatsanwalt des Department of Justice, James Cole, an, dass der Leiter der FCPA-Einheit sofort nach Brasilien kommen würde, um “brasilianische Staatsanwälte” über die Anwendungen des FCPA zu “instruieren“.

Die neue Regel beunruhigte Juristen schon damals. »Le Monde« zitierte eine Notiz von Jones Day, in der vorhergesagt wurde, dass das Anti-Korruptionsgesetz schädliche Auswirkungen auf die brasil. Justiz hätte. Er betonte die “unberechenbare und widersprüchliche” Natur des Gesetzes und das Fehlen von Kontrollverfahren. Laut dem Dokument kann “jedes Mitglied der Staatsanwaltschaft eine Untersuchung auf der Grundlage seiner eigenen Überzeugungen einleiten, wobei die Wahrscheinlichkeit, von einer höheren Behörde daran gehindert zu werden, geringer ist“.

Dilma Rousseff, damals Präsidentin, zog es vor, keine Gründe für mehr Kritik an ihrer Regierung zu liefern, die das Gesetz – trotz der Warnungen – verschärft und sanktioniert hat. 2014 ist das Gesetz in Kraft getreten. Am 17. März genehmigte der damalige Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot die Bildung der Task Force »Lava-Jato«. Seit ihrem Auftauchen hat das Team die Aufmerksamkeit der Presse auf sich gezogen: “Die Orchestrierung der Verhaftungen und das Tempo der Aktionen der Staatsanwaltschaft rund um Moro, verwandelten die Operation in eine wahrhaft beispiellose politisch-juristische Seifenoper“, sagen Bourcier und Estrada.

Gelernte Lektion

Zur gleichen Zeit gab es in den USA Anzeichen dafür, dass die Regierung von Barack Obama daran arbeitete, die Durchsetzung des FCPA auszuweiten und die US-Gerichtsbarkeit weltweit zu stärken. Leslie Caldwell, Generalstaatsanwältin des DoJ, sagte in einem Vortrag im November 2014: “Der Kampf gegen ausländische Korruption ist keine Dienstleistung, die wir der internationalen Gemeinschaft anbieten, sondern eine notwendige Durchsetzungsmaßnahme, um unsere eigenen Interessen in Fragen der nationalen Sicherheit und die unserer Unternehmen zu schützen, damit sie weltweit wettbewerbsfähig sind.”

Was die USA am meisten beunruhigte, war die Autonomie der brasil. Außenpolitik und der Aufstieg des Landes zu einer regionalen und geopolitischen Wirtschaftsmacht in Südamerika & Afrika, wo die Konzerne Bauunternehmen Odebrecht, Camargo Corrêa und OAS begannen, ihre Geschäfte auszuweiten (angetrieben durch den BNDES-Plan, “nationale Champions” zu schaffen). “Wenn man dazu noch die sich verschlechternden Beziehungen zwischen Obama und Lula und einem PT-Apparat, der dem US-Nachbarn misstraute, hinzunimmt, kann man sagen, dass wir eine Menge Arbeit hatten, um die Richtungen gerade zu rücken“, sagte ein Ex-Mitarbeiter des Justizministeriums, der für die Beziehungen zu Lateinamerika zuständig war.

Die Aufgabe wurde noch schwieriger, nachdem Edward Snowden zeigte, dass die NSA Präsidentin Rousseff und Petrobras ausspionierte, was das Verhältnis zwischen Brasilia und Washington weiter abkühlte. Anschließend wurden mehrere Vorkehrungen zur Einflussnahme aktiviert. 2015 organisierten brasilianische Staatsanwälte ein geheimes Treffen, um die USA über die »Lava-Jato«-Ermittlungen auf den neuesten Stand zu bringen. Sie lieferten alles, was die Amerikaner brauchten, um Brasiliens Pläne für geopolitische “Autonomie” zu Fall zu bringen, und verlangten dafür einen beschämenden Preis: dass ein Teil des Geldes, das durch die FCPA-Durchsetzung wieder nach Brasilien zurückfließen würde, und zwar in einen Fonds, der vom »Lava-Jato«-Ermittlungsteam verwaltet wurde. Die Amerikaner nahmen den Vorschlag natürlich an.

Die perfekte Krise

Als Rousseff ihre parlamentarische Unterstützung schmelzen sah, wollte sie 2015 Lula in ihre Regierung holen, um zu versuchen, ihre Koalitionsregierung zu retten … Da brach der Skandal aus = Moro autorisierte die illegale Veröffentlichung des ebenfalls illegalen Abhörens eines Telefonats von Lula mit Dilma und informierte Globo-TV. Das Manöver zementierte das politische Klima für die spätere Absetzung des Präsidenten im Rahmen eines Amtsenthebungsverfahrens. Moro bat später um “Entschuldigung” für die Serie von Rechtsverstößen, und der Fall war erledigt.

Die USA hatten ein Auge auf die Turbulenzen geworfen. Leslie Backshies, Leiterin der internationalen Einheit des FBI und seit 2014 verantwortlich für die Unterstützung von »Lava-Jato« im Land, sagte, dass “Agenten sich aller möglichen politischen Verzweigungen dieser Fälle bewusst sein sollten, wie internationale Korruptionsfälle wichtige Auswirkungen haben und Wahlen und wirtschaftliche Szenarien beeinflussen können” … “Zusätzlich zu den regulären Geschäftsgesprächen treffen sich die FBI-Aufsichtsbeamten vierteljährlich mit den DoJ-Anwälten, um mögliche Strafverfolgungen und die möglichen Konsequenzen zu besprechen.

So schlossen die US-Behörden 2016 wissentlich eine “Kollaboration”-Vertrag mit Odebrecht ab. Das Papier sah das Eingeständnis von Korruptionshandlungen nicht nur in Brasilien, sondern auch in anderen Ländern vor, in denen Odebrecht Geschäfte machte. Sollte es sich weigern, würden die Konten der Firma beschlagnahmt, eine Situation, die den Konzern vom internationalen Finanzsystem ausschließen würde und zum Bankrott führen könnte. Odebrecht akzeptierte den “Vertrag“.

»Lava-Jato« war sich seines Vorteils sicher, obwohl der Prozess ohne die geringste Rücksicht auf die Normen des Gesetzes weiter anschwollen war. “Als Lula am 12. Juli 2017 wegen ‘passiver Korruption und Geldwäsche’ verurteilt wurde, erklärten nur wenige journalistische Berichte, dass die Verurteilung auf ‘unbestimmten Tatsachen‘ beruhte“, so »Le Monde«.

Nachdem er Lula verurteilt und ihn bei den Wahlen 2018 aus dem Spiel genommen hatte, erntete Moro die Lorbeeren seiner Arbeit, indem er das Amt des Justizministers unter dem neuen Präsidenten Bolsonaro annahm. In der Zwischenzeit konnten sich die Amerikaner damit brüsten, den Korruptionsfällen Petrobras und Odebrecht ein Ende gesetzt zu haben, zusammen mit Brasiliens Einflussmöglichkeiten und politisch-ökonomischer Projektion in Lateinamerika und Afrika. Die »Lava-Jato«-Staatsanwälte bekamen den Preis, einen Teil der von den USA gegen Petrobras und Odebrecht verhängten Strafe zu verwalten, und zwar in Form von privatrechtlichen Stiftungen, die sie selbst in Zusammenarbeit mit Transparency International betreiben.

Lukrative Gespräche

Die Belohnung, die Moro für sich wählte, war der Anfang vom Ende seines Heiligsprechungsprozesses. Nach der Wahl Bolsonaros kam der Skandal um die Gründung des Petrobras-Fonds ans Licht. Minister A. de Moraes (Oberster Gerichtshof – STF) durchkreuzte die Pläne der Staatsanwälte, indem er die Auflösung des Fonds beschloss und das Geld anderen Zwecken zuführte.

Im Mai 2019 begann »The Intercept Brasil« mit der Veröffentlichung von Chat-Gesprächen auf Telegram zwischen Staatsanwälten und Moro, die von Walter Delgatti gehackt und von der Bundespolizei beschlagnahmt wurden, als Moro noch Justizminister war. Sie zeigen, neben anderen Skandalen, wie Moro die Staatsanwälte steuerte und wie diese die USA & die Schweiz über die Prozesse informierten und die Aufteilung der Gelder organisierten.

Nach seinem Rücktritt als Minister, ging Moro den gleichen lukrativen Weg, wie andere ehemalige DoJ-Agenten und begann, für den Privatsektor zu arbeiten, wobei er Insiderwissen über das brasil. Justizsystem in berüchtigten Fällen nutzte, um Beratungsaufträge zu generieren – ein typischerweise recht lukrativer Posten. Bei Alvarez & Marsal (weltweite Consulting-Firma, São Paulo), die ihn anheuerten, ist er nun der Zwangsverwalter für Odebrecht (für Geldern aus den Straf-Fonds).

Fazit: die US-Geheimdienste & -Behörden brachten neuimperialistische Länder (hier Brasilien als BRICS-Mitglied), die in einigen Bereichen ihren Profit-Interessen widersprachen, in die Zwickmühle! Mit Erpressung, Putsch, Rechtsbruch etc. in den USA, Brasilien, oder weltweit, wurde eine gewählte Regierung weggeputscht und eine USA-höriges Regime (Temer/Bolsonaro) “installiert” und so die Entwicklung einer angeblichen “Autonomie” Brasiliens (real ein Konkurrent am kapitalistischen “Weltmarkt”) zurückgedrängt.

Durch den jahrelangen Protest des brasil. Volkes und der Arbeiterbewegung) “drehte sich der Wind” und die Massenbasis der faschistoiden Clique um Bolsonaro und den USA schwand (auch durch die Abwahl Trumps und die Kommunalwahlen in Brasilien). Weiter: durch die Entscheidung Fachins (Minister des Obersten Gerichtshofs) in Brasilien zur Aufhebung der Verurteilung Lulas, offenbarte sich die “Wechselstimmung” im brasil. Volk (erwachendes Klassenbewußtsein) und die “Versprechen” Bolsonaros, von Guedes und Mourao, platzten nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie, wie “Eiterbeulen”! Auch weil die korrupteste aller Parlamentsgruppen, das sogenannte “Zentrum” sich erst von Bolsonaro schmieren liess und nun merken sie wie die Stimmung im Land kippt und das “Pendel” zur Wahl Lulas neigt (Umfragewerte der PT stiegen).

Aber das brasilianische Volk und die Arbeiterbewegung müssen wachsam sein: mit der Kandidatur Lulas & PT zur Wahl 2022, wird sich die Situation nicht grundlegend ändern. Ein “ZURÜCK zu LULA” wie 2003 kann es nicht geben! Den absehbaren Betrug (Stimmenkauf der PT mit Hilfe des “Zentrums” im Parlament Brasilien) – bei Wahl 2022 – wird keine grundlegenden Änderungen des neuimperialistischen Brasiliens zeigen. Wie die Umwelt-Verbrechen im Amazonas, im Bergbau, in der Landwirtschaft oder als neuimperialistischer “Akteur” in Haiti, Paraguay oder Afrika zeigen … sowohl unter Lula, Dilma, als auch unter Temer oder Bolosnaro!

“Rebellion ist gerechtfertigt” – Brasilien spielt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Klimakatastrophe – hin zu einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung!

Die Massenproteste 2013 in Brasilien, der Putsch von 2016 und die Rolle der USA

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