Eine dreifache Krise erschüttert das Land: Die desaströse Corona-Pandemie vertieft die größte Wirtschaftskrise (seit Datenerhebung) und die offene politische-Krise der Regierung und des Staates.

Ministerrücktritte, Ermittlungen der Bundespolizei gegen Jair Bolsonaros Regierung und Familie (Verstrickungen in kriminelle Netzwerke und Morde, Korruption, illegale Geschäfte mit Steuermitteln). Impeachment-Petitionen von Parteien und Gewerkschaften gegen Bolsonaro wegen Leugnung der Corona-Pandemie.

Die Regierung verliert langsam die Unterstützung des nationalen Monopolkapitals, von Teilen des Militärs und Teilen des internationalen Finanzkapitals. Einige Kirchen fordern Bolsonaros Absetzung. Medienkonzerne wenden sich gegen Bolsonaro und seine Angriffe auf Journalisten und Medien!

Bolsonaro in der Defensive

Mal droht er mit Militärputsch, mal posiert er mit Faschisten, mal besucht er evangelikale Gottesdienste. Seine Wählerstimmen sind auf das reaktionärste Drittel geschrumpft! Vor dem Obersten Wahlgericht wird die Gültigkeit seiner Wahlliste von 2018 geprüft (illegale Spenden, Stimmenkauf, Fake News).

Kein Tag vergeht, an dem es nicht irgendwo Proteste und Streiks gibt. Bei den Armen, Landlosen, Indigenen, Schwarzen, prekären Hausangestellten, den Industriearbeitern (Ölindustrie, Autosektor), im Gesundheitssektor, bei Kleinhändlern, Künstlern, Fussball-Fanclubs, LBGT-Initiativen, bis hin zu Beamten, Bürgermeistern und Gouverneuren brodelt es. Signale also, dass die offene politische Krise in eine revolutionäre Gärung übergehen könnte. Vorbildlich sind Initiativen der Landlosenbewegung MST und von Jugendinitiativen, die an die Armen Nahrung und Hilfspakete verteilen, verbunden mit der Werbung für ein „Programm zur Agrarreform“.

Obwohl der Agrarsektor wuchs, die volle Unterstützung der Regierung und des Kapitals genießt, wird die Prognose 2020 von plus 2,3 Prozent auf plus 1,3 Prozent gesenkt. Während Exporte für Soja (Rekordernte) und Reis um sieben Prozent stiegen, fielen Kaffee (wichtig!), Mais, Zellulose und die Importe. Noch mehr Monokultur, Chemie- und Gifteinsatz ist die Reaktion. Umweltverbrechen und höhere Landkonzentration führen zu neuer Landflucht und -konflikten (zum Beispiel Indioreservate).

Die größte Wirtschaftskrise laut Statistikamt bedeutet für die Industrie ein Minus von März bis April um 18,8 Prozent. Von April 2019 bis April 2020 waren es minus 27,2 Prozente.1 Auch in Brasilien zeigten sich die Erscheinungen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise schon vor der Pandemie. 2019 begannen internationale Finanzinvestoren, ihr Kapital abzuziehen. Brasilien wurde im Rating abgestuft – mit negativer Aussicht. Deshalb drängt Wirtschaftsminister Paulo Guedes auf Lockerung der Quarantäne, obwohl der Höhepunkt der Pandemie nicht erreicht ist. Die Arbeitslosenzahl liegt bei 18,7 Prozent. Anstieg vorprogrammiert: Denn Guedes plant ein Gesetz, das es Firmen erlaubt, bis zu 50 Prozente der Belegschaft zu entlassen – trotz staatlicher Kredithilfen.

Breiter Widerstand wächst

Im staatlichen Gesundheitswesen, das von Privatisierungen und Kürzungen (bei Krankenhäusern) betroffen ist, regt sich breiter Widerstand. Die Sterberate der Ärzte und Pflegekräfte ist hier die höchste der Welt2, weil es an grundlegendster Schutzausrüstung und Desinfektion fehlt.

Im Bildungssystem hatte die Regierung 2019 die Ausgaben für staatliche Hochschulen/Universitäten, inklusive Studienhilfen, um etwa 50 Prozent gekürzt. Die Proteste von Studenten, Lehrkräften und Angestellten waren ohne Verbindung zum Industrieproletariat zum Scheitern verurteilt. Trotzdem gehen die Proteste weiter. Kinderorganisationen warnen: Durch diese Entwicklung wird die Kinderarmut und -arbeit wieder zunehmen!

Die Abschaffung der Gewerkschaftssteuer schwächte die Kampfkraft der Gewerkschaften genau in dem Moment, als sie am meisten gebraucht wurden. Das Hauptproblem bleibt aber die Spaltung der Gewerkschaften in acht „Zentralen“ und ihre parteipolitische und reformistisch-antikommunistische Ausrichtung.

Eine marxistisch-leninistische Arbeiterpartei neuen Typs, die mit der Lehre von der Denkweise arbeitet, fehlt noch. Anarchistischen, trotzkistischen und revisionistischen Bewegungen wird so Raum zur Desorientierung der Massen gegeben.

Revolutionär gesinnte Menschen ringen um Klarheit, Bewusstheit und Organisiertheit! Überall fragen Menschen, wie es zur Wahl Bolsonaros kam. Es gibt aber keine proletarische Klassenanalyse und es fehlt die Erkenntnis, dass Brasilien ein neuimperialistisches Land ist. Der milliardenschwere militärisch-industrielle Komplex wird nicht „einfach“ abtreten!

Es gibt auch kein „Zurück zu Lula und der Arbeiterpartei“ – das muss den Massen bewusst werden. Und, dass die Arbeiterklasse eine zentrale Rolle im revolutionären Klassenkampf spielt: Für eine Gesellschaft, in der Mensch und Natur befreit sind von Ausbeutung und Unterdrückung!

Quellen:

1 https://agenciadenoticias.ibge.gov.br/agencia-sala-de-imprensa/2013-agencia-de-noticias/releases/27853-producao-industrial-cai-18-8-em-abril

2 https://www.cut.org.br/noticias/descaso-de-governos-leva-a-recorde-de-mortes-de-profissionais-de-saude-74bf

Der “Messias” hat ausgedient!

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